Nachhaltig leben für Profis: Umbau statt Neubau
Neubauten sind wesentlich sparsamer als Altbauten. Heutzutage ist eine möglichst energiearme und nachhaltige Lebensweise Vorschrift. Am Ende verursacht ein Neubau aber einen unnötig großen, ökologischen Fußabdruck. Die Lösung: Umbau statt Neubau. Zu erst müssen wir aber unseren bisherigen Denkfehler begreifen.

Man solte sich der Konsequenzen eines Neubaus bewusst sein. (Foto: Christopher Michel)
Wenn es zum Thema Recyceln kommt, sind wir Deutschen Weltmeister. Im wörtlichen Sinne: kein anderes Land recycelt so viel und gut wie wir. Darauf kann man schon ein mal stolz sein. Es darf aber nicht zum Wahn werden. Am Ende ist zu viel des Guten wirklich zu viel des Guten.
Deutschland baut zu viel
Daniel Fuhrhop ist Immobilienexperte und Autor seines neuen Buches „Verbietet das Bauen“. Er möchte, wie der Titel schon verrät, auf einen Missstand hinweisen, den die Immobilienbranche und Baufirmen nicht hören wollen. Deutschland müsse aufhören, wie verrückt zu bauen. Damit sind die unzählig vielen Neubauten gemeint, die in Deutschland explodieren wie der Löwenzahn im Garten.
Dabei soll der Garten doch geschützt werden. Wir bauen grün, um das Grüne zu schützen. Neue Bauvorschriften schreiben exakte Regeln beim Bau vor. Jedes Jahr kommen neue Vorschriften dazu, die Energie und Ressourcen einsparen sollen. Von der Idee her ist das gut. Warum es am Ende zum Problem wird, erklärt Fuhrhop wie folgt:
Nach dem Neubau ist vor dem Neubau
Der Wohnstandard in Deutschland ist erheblich gestiegen. Wir wollen mehr Platz. Nach dem Krieg hat man sich noch mit 15 Quadratmetern zufrieden gegeben, und heute sind 45 normal. Wohnraum wächst also. Die Einwohnerzahl stagniert hingegen. Seit 20 Jahren pendeln wir um die 80 Millionen Einwohner.
Mit dem Wohnraum wächst auch die Anzahl der Wohnungen. Seit 1995 sind in Deutschland sieben Millionen neue Wohnungen entstanden. Alte, kleine Wohnungen müssen für neue, große Platz machen. In Realität werden akzeptable Wohnräume abgerissen und mit neuen ersetzt. Die Neubauten haben dann den aktuellen Standard und erfüllen alle Auflagen der Politik.
Fuhrhop weiß es besser
Für sein Buch hat Fuhrhop mit dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie zusammen gearbeitet. In ihrer Arbeit haben sie einen Fehler im heutigen Denken aufgedeckt, schreibt DIE WELT.

Ein Umbau spart sehr viel Energie und Ressourcen. (Foto: Rob Deutscher)
Fallstudie
Sagen wir, die Isolierung eines Mehrfamilienhauses aus den Achtzigern ist nicht mehr up-to-date. Außerdem hat es Einfachverglasung. Um den aktuellen Auflagen gerecht zu werden, müssen Missstände behoben werden. Denn in Zukunft wird dieses Haus viel Geld kosten und als Umweltsauerei gelten.
Die Lösung? Abreißen und mit neuem Haus ersetzen. Der Neubau hat keine Schwachpunkte mehr und ist wesentlich effizienter. Der Energieverbrauch und die Heizkosten im Haus werden deutlich geringer sein. Der Altbau wurde, so nachhaltig wie wir Deutschen nun mal sind, vorschriftsgemäß recycelt und entsorgt. Baufirma, Auftraggeber und Investoren verdienen eine goldene Nase und die Mieter wohnen in einem grüneren Haus. Alles gut, oder?
Das Problem ist folgendes: man kann noch so effizient bauen wie man möchte. Man kann noch so viele Energiemaßnahmen umsetzen, um ein möglichst energiearmes Haus zu haben. Man kann die Abfälle noch so grün recyceln. Am Ende gewinnt jedoch keiner. Denn all die gesparte Energie in der Zukunft wird durch die aufgewendete Energie für einem Abriss und Neubau zunichte gemacht. Verstanden?
Energiesparverordnungen reichen heutzutage nicht mehr aus. Unsere Ressourcen werden knapp und der Klimawandel macht sich bereits bemerkbar. Fuhrhop fordert ein radikales Umdenken.
Umbau statt Neubau
Es ist die logische Konsequenz. Wir müssen alte Häuser recyceln, nicht den Abriss-Abfall. Man kann alte Gebäude wieder fit machen. In Frankreich und den Niederlanden ist diese Intention bereits verankert.
Mit einem Umbau spart man unglaublich viel Energie, Aufwand und Zeit. Altes kann man anpassen. Mit Maßnahmen zur Modernisierung kann die selbe Qualität wie bei einem Neubau entstehen. Das gesamte Gebäude kann neu konzipiert werden und attraktiv für neue Mieter sein. Dafür muss Leerstand richtig erfasst werden und intelligent genutzt werden.
Das erste gemeinsame Haus sollte ein Traum bleiben
Wenn jede Familie ihr eigenes Haus hätte, wäre nicht mehr viel Platz übrig. Deutschland ist dem Neubau verfallen. Familien stehen total auf Einfamilienhäuser, das Bild des eigenen, gemeinsamen Hauses ist und bleibt in den Köpfen der Menschen. Selbst in Regionen, in denen viele alte Gebäude leer stehen, wird weiterhin neu gebaut. Kommunen wollen neue Menschen mit schönen, neuen Häusern anlocken. Diese kommen aber nicht. Während unzählig viele alte Wohnungen in Deutschland unbenutzt bleiben, wird zur gleichen Zeit der Neubau gefördert. Umso mehr neue Wohnmöglichkeiten vorhanden sind, desto unattraktiver werden alte Wohnungen für potentielle Mieter.
Der effizienteste Bau ist also der nicht existente. Ein Umbau spart im Gesamtbild wesentlich mehr Energie. Wenn richtig gearbeitet wird, muss man in der Lebensqualität keine Abstriche machen. Eingespartes Geld vom Abriss und Neubau kann in erweiterte Eigenschaften des Altbaus mit einfließen. So bekommt keinen teuren Neubau mit minimalen Vorzügen und großem ökologischem Fußabdruck, sondern einen günstigen, recycelten Altbau mit maximalen Vorteilen. Win-Win.